Das europäische Duo, das die Elektronikbranche grüner macht
Stephan Theil, CEO des deutschen Unternehmens Factronix, stellte auf der Evertiq Expo Warsaw 2025 Technologien und Verfahren vor, die die Herstellkosten von Elektronik, den CO₂-Fußabdruck sowie die Abhängigkeit von instabilen Lieferketten drastisch reduzieren können.
„Überall dort, wo Elektronik im Spiel ist, sind auch wir im Spiel“, begann Theil.
Anschließend erläuterte er ausführlich, wie die Rückgewinnung von Bauteilen zu einer tragenden Säule verantwortungsvoller und kosteneffizienter Produktion werden kann.
Globale Struktur, lokale Lösungen
Factronix wurde 2007 in Deutschland gegründet und konzentriert sich seit Beginn auf Qualität, Reproduzierbarkeit und die Einhaltung strenger Standards, wie sie unter anderem in der Automobil- und Verteidigungsindustrie gelten. Der Hauptsitz befindet sich in Wörthsee bei München – einem der wichtigsten Technologiezentren Europas. Hier sitzen die zentralen Prüflabore und Entwicklungsteams, die neue Methoden zur Rückgewinnung und Aufarbeitung von Komponenten entwickeln.
Darüber hinaus betreibt Factronix einen kleineren Standort in Tschechien, unweit der deutschen Grenze. Er dient als operatives und logistisches Zentrum, übernimmt kleinere Projekte, kurze Fertigungsserien und die ersten Qualifikationsschritte. Dank dieser Lage kann das Unternehmen Kunden in Polen, der Slowakei und Österreich deutlich schneller bedienen und die Transportzeiten für Platinen und Bauteile zur Rückgewinnung erheblich verkürzen.
Der größte und entscheidende Teil der Gesamtstruktur ist jedoch Retronix – ein langjähriger Partner mit Sitz in Coatbridge nahe Glasgow in Schottland. Retronix ist seit den 1990er-Jahren tätig und spezialisiert auf präzises SMD-Rework, Reballing und automatisiertes Neuverzinnen. Theil bezeichnet den schottischen Standort als „das Herz des Betriebs“: Ausgestattet mit hochmodernen Laserlinien, robotergestützten Verzinnungs- und Regenerationssystemen sowie umfassenden optischen und Röntgeninspektionen werden hier die anspruchsvollsten Arbeiten durchgeführt – für Branchen wie Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Automotive, Energie, IT, Rechenzentren und verschiedenste Elektronikfertigungen.
Die langjährige Zusammenarbeit zwischen Factronix und Retronix basiert auf einer klaren Kompetenzverteilung:
• der bayerische Standort fungiert als technisches und kundenseitiges Zentrum für Kontinentaleuropa,
• die tschechische Niederlassung übernimmt schnelle Einsätze und kleinere Prozesse,
• die schottische Fabrik dient als Produktionsbasis für große Stückzahlen und kann Hunderttausende Komponenten verarbeiten.
Gemeinsam bilden sie ein vollständiges Service-Ökosystem, das Fachwissen, Erfahrung und hochspezialisierte Technologien verbindet – von laserbasiertem BGA-Reballing bis hin zur Aufarbeitung mikroskopischer 0402-Bauteile, die sogar in Weltraummissionen eingesetzt werden.
„Ob Verteidigung, Automotive oder Telekommunikation – wenn ein Bauteil wertvoll ist und sich zurückgewinnen lässt, können wir es tun“, betonte Theil.
Warum die Rückgewinnung von Komponenten zur strategischen Notwendigkeit wird
Der CO₂-Fußabdruck der Elektronikfertigung
Wie Theil auf der Evertiq Expo Warsaw 2025 erklärte, drängen europäische Regierungen zunehmend auf Transparenz und CO₂-Reduktion. Das gilt auch für die Elektronikindustrie, in der – wie er hervorhob – ein einziger Prozessschritt den Großteil der Umweltwirkung bestimmt.
„Wissen Sie, welcher Schritt bei der Herstellung von Leiterplatten den höchsten CO₂-Ausstoß verursacht? Das Löten. Rund 70 Prozent des gesamten CO₂-Fußabdrucks einer Leiterplatte entstehen in diesem Prozess.“
Wenn die Herstellung neuer Komponenten eine solch hohe Klimabelastung verursacht, wird deren Rückgewinnung nicht nur sinnvoll, sondern notwendig.
Steigende Kosten und wirtschaftlicher Druck
Unternehmen analysieren zunehmend ihre Produktionsabfälle. Theil wies darauf hin, dass typische Verluste bei 3 bis 5 Prozent aller Bauteile liegen.
„Bevor Sie etwas entsorgen, denken Sie nach. Viele Teile lassen sich zurückgewinnen, auffrischen und vollständig wiederherstellen – günstiger als der Neukauf“, so der Factronix-CEO.
Lieferkettenkrisen
Komponentenengpässe beeinträchtigen die Produktion weiterhin. Theil verwies auf einen bekannten Fall aus Deutschland:
„Volkswagen musste die Produktion stoppen. Warum? Weil sie keine Chips aus China bekommen haben! Wir kehren zu altbekannten Problemen zurück – blockierten Lieferketten.“
Oft sind genau solche Ereignisse der Auslöser für das Ausschlachten von Beständen und die Rückgewinnung von Bauteilen.
Umgang mit abgekündigten Komponenten
Branchen wie Bahn, Automatisierung, Verteidigung und Energie arbeiten häufig mit 10- oder sogar 20-jährigen Verfügbarkeitsanforderungen.
„Sehr oft nehmen wir alte Leiterplatten und gewinnen wertvolle Komponenten daraus zurück. So können Kunden ihre Systeme über viele Jahre hinweg betreiben.“
Kreislaufwirtschaft in der Praxis: Wie der Rückgewinnungsprozess abläuft
Besucher der Evertiq Expo Warsaw 2025 lernten das vierstufige Rückgewinnungsmodell der Factronix–Retronix-Partnerschaft kennen:
- Bauteilentfernung
Mit Infrarot-Erwärmung zur Minimierung thermischer Belastung.
„Wir versuchen hohe Temperaturen so weit wie möglich zu vermeiden“, so Theil. - Reinigung und Inspektion
Automatisierte optische Systeme prüfen die Qualität jedes Bauteils. - Reballing oder Neuverzinnen
Einschließlich verschiedener Methoden der Lotvorbereitung wie Laser-BGA-Reballing (ein einzigartiger Prozess ohne thermische Belastung) sowie klassischem Reflow-Reballing. - Test und Verpackung
Durchgeführt nach AS6081, optional mit Lötbarkeitsprüfung.
Laser-Reballing: Eine Technologie ohne Konkurrenz
Theil widmete einen großen Teil seines Vortrags dem laserbasierten BGA-Reballing – einer Lösung, die eine der größten Einschränkungen bei der Wiederverwendung von ICs beseitigt: die begrenzte Anzahl erlaubter Reflow-Zyklen.
Traditionell hat jedes BGA-Bauteil drei Reflow-Zyklen:
• einen beim ursprünglichen Bestücken,
• einen beim Entfernen,
• und einen beim klassischen Reballing im Reflow-Ofen.
Danach garantieren Hersteller keine Zuverlässigkeit mehr.
„Laser-Reballing verbraucht keinen einzigen Zyklus. Es ist die einzige Methode, bei der keinerlei thermische Belastung entsteht“, erklärte Theil.
Das System platziert stattdessen einzelne Lotkugeln – eine pro Sekunde – in einer kontrollierten CO₂-Atmosphäre, ohne Flussmittel zu verwenden. Das IC bleibt damit vollständig konform mit den ursprünglichen Spezifikationen und vermeidet Schäden, die bei herkömmlichem Reballing typisch sind.
Diese Präzision ist entscheidend in Branchen mit langen Bauteillebenszyklen, in denen der Wert eines Bauteils weit über den Kosten der Wiederaufarbeitung liegt.
Wie groß können die Einsparungen sein?
Auf der Evertiq Expo Warsaw 2025 präsentierte Theil mehrere Projekte, bei denen das Factronix–Retronix-Modell besonders effektiv war.
Ein Beispiel betraf einen Telekommunikationskunden, der große Bestände abgekündigter Telefonkarten mit teuren, seltenen und nicht mehr produzierten ICs besaß.
Was als mehrmonatiges Projekt begann, entwickelte sich zu einer mehrjährigen Zusammenarbeit: Über drei Jahre gewann das Team hochwertige Bauteile zurück, entfernte Oxidation, führte laserbasiertes BGA-Reballing durch und testete die Komponenten vollständig.
Insgesamt wurden über eine halbe Million ICs wieder nutzbar gemacht – und dem Kunden rund 10 Millionen US-Dollar eingespart.
„Anstatt eine riesige Menge Hardware zu verschrotten, brachten sie sie zurück in den Kreislauf – voll funktionsfähig und vollständig konform. Wenn man die Zahlen sieht, fällt es schwer zu glauben, dass diese Teile eigentlich entsorgt werden sollten“, kommentierte Theil.
Während seines Vortrags wiederholte er immer wieder dieselbe Botschaft: Ökonomie und Ökologie müssen zusammengehen.
„Recycling muss günstiger sein als der Kauf eines neuen Teils. Sonst ergibt es keinen Sinn.“
„Unsere Vision der Kreislaufwirtschaft ist kein Marketing-Slogan. Es geht um echtes Geld, echte Einsparungen und echte CO₂-Reduktion.“
In Zeiten globaler Engpässe, steigender Produktionskosten und immer strengerer Umweltauflagen zählt der Factronix–Retronix-Ansatz zu den zukunftsweisendsten Entwicklungen der Elektronikindustrie.
Die nächste Evertiq Expo Warsaw findet am 22. Oktober 2026 statt. Schließen Sie sich der Community von Fachleuten an, die – wie das Duo Factronix–Retronix – die Zukunft der Elektronik verantwortungsvoll gestalten.


