
Europa muss vom Bewusstsein zum Handeln übergehen
Auf der Evertiq Expo Berlin 2025 forderte Dirk Stans, Managing Partner von Eurocircuits, dass die europäische Elektronikindustrie aufhören müsse, ihre Probleme immer wieder zu wiederholen – und stattdessen praktische, gezielte Schritte nach vorne gehen solle.
„Wer es jetzt noch nicht verstanden hat, der hat sich bewusst dafür entschieden, die Realität zu ignorieren“, sagte Stans in seiner Keynote The urgency of a strong European electronics industry. „Wir müssen von ständigen Warnungen zu konkreten Vorschlägen übergehen, die politische Entscheidungsträger umsetzen können.“
Im Anschluss an die Keynote nutzte Evertiq die Gelegenheit, um über diese Vorschläge genauer zu sprechen. Auf die Frage, welche Veränderung am dringendsten sei, warnte Stans davor, zu versuchen „alles zurückzuerobern“. Stattdessen müsse Europa bewusste, langfristige Entscheidungen treffen, worin es wirklich stark ist – und diese Stärken konsequent ausbauen. „Wenn wir das tun, haben wir wieder etwas anzubieten, können verhandeln und Deals abschließen. Wenn man aber nur fordert und nichts zu bieten hat, wird man früher oder später gefressen wie ein altes Huhn.“
Die Lücke zwischen Ingenieuren und Politikern schließen
Für Stans ist mangelnde Sichtbarkeit eines der größten Hindernisse. Obwohl die Elektronikbranche in Europa einen Wert von rund 160 Milliarden Euro pro Jahr hat, macht sie nur 0,7 % des EU-BIP aus – und bleibt damit für Politiker nahezu unsichtbar.
„Politiker sind meistens Juristen oder Historiker. Sie realisieren gar nicht, wie abhängig unsere Gesellschaft von Elektronik ist“, erklärte er.
Er ist überzeugt, dass politische Entscheidungsträger aktiv den Austausch mit Ingenieuren suchen müssen, um fundierte Entscheidungen zu treffen. „Die Politiker müssen mit der Industrie sprechen, mit den Ingenieuren – und uns für sich arbeiten lassen. Dieses Angebot haben wir in Brüssel gemacht.“
Europäische Herkunft zuerst
Unter den „einfachen Maßnahmen mit großer Wirkung“, die Stans vorschlägt, ist ein europäisches Beschaffungsgesetz. Dieses soll europäischen Waren und Dienstleistungen Vorrang geben. Angesichts der Milliarden, die im Rahmen des EU Chips Act und des Draghi-Reports fließen sollen, wäre dies laut Stans ein wichtiges Signal.
„Wenn wir öffentliches Geld ausgeben, sollte europäische Herkunft an erster Stelle stehen. Das würde unserer Industrie die Chance geben, ein Stück von diesem Kuchen zu bekommen.“
Digitalisierung gegen Ineffizienz
Auch bei den Nachhaltigkeitsanforderungen des EU Green Deals plädierte Stans für mehr Pragmatismus. Er schlug eine zentrale europäische Datenbank für Rohstoffe und Komponenten vor, in der Hersteller die relevanten Informationen einmalig hinterlegen, auf die Ingenieure europaweit direkt zugreifen könnten.
„Warum muss ein Ingenieur diese Informationen mühselig auf Webseiten von Zulieferern zusammensuchen? Warum haben wir keine zentrale Datenbank, die allen Millionen Designern in Europa zur Verfügung steht? Einige tausend Hersteller könnten diese Informationen zentral einpflegen – ein logischer Schritt.“
Lösungen nur auf europäischer Ebene
Beim Thema Brücke zwischen Industrie und Politik betonte Stans, dass nachhaltige Lösungen nur auf EU-Ebene möglich seien.
„Den Rest der Welt kümmert Schweden, Belgien oder selbst Deutschland nicht – Deutschland hat die gleiche Wirtschaftsleistung wie Kalifornien. Wir zählen nur, wenn wir auf europäischer Ebene auftreten.“
Er räumte ein, dass die europäischen Institutionen oft unterbesetzt seien. Gleichzeitig hob er hervor, dass die Mitarbeiter dort hoch qualifiziert und wissenschaftsorientierter seien als auf nationaler Ebene. Er brachte sogar Quoten für Ingenieure in der Politik ins Gespräch.
Vom Bewusstsein zum Handeln
Stans schloss mit einer klaren Botschaft: Europa brauche keine großen Deklarationen, sondern einfache, pragmatische Maßnahmen mit greifbaren Ergebnissen.
Der nächste Schritt? Aus Bewusstsein konkrete Taten machen.