
Automatisierte Demontage von Elektrogeräten
Weltweit wird laut einem neuen UN-Bericht immer mehr Elektroschrott produziert – doch das Recycling kommt nicht hinterher. Wertvolle Rohstoffe gelangen nicht in die Wiederverwertung. Hier setzen Forschende des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF an: Im Projekt iDEAR etablieren sie Lösungen für die automatisierte, zerstörungsfreie, roboterbasierte Demontage von Elektronikgeräten für das Remanufacturing und werkstoffliche Recycling im Sinne einer modernen Kreislaufwirtschaft.
Aufgrund des technologischen Fortschritts werden Elektrogeräte immer kürzer genutzt. Dies führt zu einem stetig wachsenden Bedarf an endlichen Rohstoffen. Zugleich wächst der Berg von Elektroschrott. Bis zum Jahr 2030 könnte die weltweite jährliche Elektroschrott-Produktion auf 74 Millionen Tonnen ansteigen, heißt es in einer Pressemitteilung des Instituts. Recycelt wird aber nur ein Bruchteil aller Elektrogeräte. Über 80 Prozent des E-Waste landen auf Deponien oder in der Müllverbrennung. Und mit ihm die darin enthaltenen wertvollen Rohstoffe, Edelmetalle und seltene Erden. Gefährliche Chemikalien und Schadstoffe können bei der Verbrennung in die Umwelt gelangen.
Zu einem geringen Teil werden Altgeräte, sofern sie nicht geschreddert werden, manuell demontiert, von Schadstoffen bereinigt, mechanisch zerkleinert und durch Sortierprozesse in verschiedene Fraktionen getrennt. Diese manuelle Demontage ist jedoch mit hohen Kosten verbunden und wenig effektiv.
Nachhaltige Werterhaltungsstrategien, um Elektrogeräte im Sinne einer modernen Kreislaufwirtschaft aufzuarbeiten und wiederzuverwerten, fehlen bislang weitestgehend. Im Projekt iDEAR, kurz für Intelligente Demontage von Elektronik für Remanufacturing und Recycling, kombinieren Forschende am Fraunhofer IFF in Magdeburg Wissensmanagement, Mess- und Robotertechnik und Künstliche Intelligenz zu einem intelligenten System für automatisierte und zerstörungsfreie Demontageprozesse, um ein zertifizierbares und geschlossenes Abfallmanagementsystem zu etablieren.
„Wir wollen die Demontage von Elektroschrott revolutionieren. Aktuelle Lösungen sind mit hohem Engineeringaufwand verbunden und beschränken sich auf eine bestimmte Produktgruppe. Im Projekt iDEAR streben wir eine datengetriebene Methodik an, damit von PCs über Mikrowellen bis hin zu weißer Ware möglichst verschiedene Produkte mit geringem Engineeringaufwand und in Echtzeit demontiert werden können", sagt Dr. José Saenz, Gruppenleiter Assistenz-, Service- und Industrieroboter am Fraunhofer IFF.
Zunächst fokussieren sich die Forschenden dabei auf die automatisierte Demontage von PCs, das Verfahren soll aber langfristig auf beliebige Geräte wie etwa Waschmaschinen erweiterbar sein. Nachdem die Waren angeliefert und vereinzelt wurden, steht die Identifikation und Befundung am Anfang der Prozesskette. Dabei erfassen KI-basierte 3D-Kamera- und optische Sensorsysteme Label mit Angaben zu Hersteller, Produkttyp und -nummer, erkennen Typ und Lage von Bauteilen, überprüfen Geometrien und Oberfläche, bewerten den Zustand von Verbindungselementen wie Schrauben und Nieten und detektieren Anomalien.
„Optische Messtechnik hilft, Etiketten zu erfassen und unterschiedliche Bauteile wie etwa Schrauben zu sortieren. Zuvor trainierte Machine-Learning-Algorithmen und KI werten die Bilddaten aus und ermöglichen die Erkennung und Klassifizierung von Materialien, Kunststoffen und Komponenten auf Basis von Sensor- und Spektraldaten in Echtzeit“, so Dr. José Saenz.
Beispielsweise erkennt die KI, ob eine Schraube verdeckt angebracht oder verrostet ist. Alle Daten werden in einem digitalen Demontagezwilling festgehalten, der quasi eine Instanz des Produkts ist und auch darüber informiert, ob ein ähnliches Produkt schon einmal demontiert wurde.
Im nächsten Schritt legen Saenz und sein Team in einer Software die Demontage-Sequenzen fest, die unter anderem definieren, ob eine vollständige oder partielle, also nur auf die Rückgewinnung hochwertiger Komponenten gerichtete, Demontage stattfinden soll.
Der Roboter erhält eine Reihe von abzuarbeitenden Anweisungen und Abläufen wie »Entferne links am Gehäuse zwei Schrauben, öffne das Gehäuse etc.« Sofern erforderlich, wechselt die Maschine zwischen den einzelnen Arbeitsschritten das jeweils erforderliche Werkzeug. Zu den in den Demontagesequenzen festgelegten Skills gehören Roboterhandlungen wie schrauben, heben, schneiden, herausziehen, lokalisieren, neu positionieren, anfahren, ablegen, Hebel betätigen, biegen, brechen, Kabel schneiden, die der Demontageroboter komplett eigenständig ausführen kann, heißt es weiter.
In Tests ist es dem Demonstrator nach Instituts-Angaben sogar gelungen, ein Mainboard aus einem PC-Gehäuse zu nehmen – eine sehr komplexe Aufgabe, die ein hohes Maß an Feinfühligkeit verlangt. Dabei habe man KI eingesetzt. Ein KI-Agent trainiert die Lösung des Prozesses zunächst am Simulationsmodell, später übertrage man die so trainierte Roboterhandlung auf den realen Versuchsaufbau.