Die Lage der europäischen EMS-Industrie 2024
Die europäische Elektronikindustrie hat seit einigen Jahren mit einer Reihe von Herausforderungen zu kämpfen. Aufgrund dieser Herausforderungen sind verschiedene Teile der Branche von den politischen Entscheidungsträgern umworben worden und erhalten nun Unterstützung für die weitere Entwicklung, wie beispielsweise die Halbleiterindustrie und der European Chips Act.
Die Branche besteht jedoch aus vielen miteinander verbundenen Teilen, die alle voneinander abhängen. In Krisenzeiten konzentriert man sich in der Regel auf den Teil, der zu diesem Zeitpunkt als am kritischsten angesehen wird - wie die Halbleiterindustrie während der Pandemie. Aus einer ganzheitlichen Perspektive betrachtet, stehen jedoch mehrere Schlüsselsegmente der EU-Elektronikindustrie vor einem Niedergang, der Europas Sicherheit, industrielle Widerstandsfähigkeit und globale Wettbewerbsfähigkeit gefährden könnte.
Ein aktueller Bericht des IPC - zusammen mit Decision und In4ma - untersucht die wachsende Abhängigkeit Europas von ausländischen Regionen bei der Elektronikfertigung in kritischen und strategischen Sektoren, einschließlich Sektoren wie Luft- und Raumfahrt und Verteidigung. Trotz der Einführung des European Chips Act zeigt der Bericht mit dem Titel Securing EU's Electronics Ecosystem, dass der Marktanteil der EU in kritischen Bereichen der Elektronikindustrie, wie Leiterplatten, Elektronikfertigungsdienstleistungen (EMS) und fortschrittliches Packaging, zu sinken droht - wenn keine Maßnahmen ergriffen werden. Evertiq hat bereits in der Vergangenheit über die Herausforderungen berichtet, denen sich die Branche, insbesondere der Leiterplattensektor, gegenübersieht.
Jetzt wirft Evertiq ein Schlaglicht auf die EMS-Anbieter. Aus diesem Grund hat Evertiq Dieter G. Weiss, den Gründer von Weiss Engineering und in4ma (Information for Manufacturers), als Hauptredner zur Evertiq Expo am 19. September 2024 in Göteborg eingeladen, um ein klareres Bild der Situation und der Zukunft zu vermitteln. in4ma wird zudem an der Evertiq Expo Warschau am 24. Oktober 2024 teilnehmen.
Dem Bericht zufolge ist eine europäische Strategie erforderlich, die einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt, im Gegensatz zu der derzeit vorherrschenden einseitigen Konzentration auf die Halbleiterindustrie. Zwar sind Halbleiter zweifellos wichtige Bestandteile elektronischer Systeme, doch dürften andere wichtige Teile des elektronischen Ökosystems nicht vergessen werden - einschließlich der Leiterplattenherstellung und der EMS.
Analysten plädieren deshalb für eine „silicon to systems“-Strategie. Um das Ausmaß der Risiken zu verdeutlichen, weist der Bericht darauf hin, dass der Anteil Europas an der Leiterplattenproduktion in den vergangenen zwei Jahrzehnten dramatisch zurückgegangen ist und der Anteil der Region an der Elektronikproduktion sinkt. Im Jahr 2000 lag der Anteil der europäischen Leiterplattenproduktion an der weltweiten Produktion bei 13,8 Prozent, im Jahr 2022 ist dieser Wert auf 2,2 Prozent gesunken.
Es ist kein Geheimnis, dass Europa von externen Fertigungskapazitäten abhängig ist, aber der Bericht versucht zu vermitteln, wie abhängig Europa in acht strategischen Sektoren - darunter Luft- und Raumfahrt und Verteidigung, Automatisierung, Gesundheitswesen, Mobilität, erneuerbare Energien, Sicherheit und Server tatsächlich ist.
Für jeden dieser acht strategischen Sektoren wird ein ähnliches Szenario gezeichnet. Erstens: Ohne strategische Initiativen und Leitlinien wird der Gesamtanteil der EU an der Herstellung elektronischer Systeme bis 2035 voraussichtlich sinken. Zweitens bleibt die EU bei kritischen Gütern und Prozessen wie Leiterplatten, fortschrittlichem Packaging und IC-Substraten stark von ausländischen Lieferanten abhängig. Drittens werden diese Abhängigkeiten ohne gut geplante und strategische Maßnahmen bis 2035 noch zunehmen.
Den im Bericht enthaltenen Daten zufolge wird der Anteil der EU an der weltweiten Leiterplattenindustrie bis 2035 voraussichtlich auf 1,7 Prozent sinken, wenn nichts unternommen wird, um diesen Trend umzukehren. Ein vergleichbares Szenario lässt sich für die Herstellung und Montage von elektronischen Systemen (OEM/ODM/EMS) zeichnen. Die EU hat derzeit einen Weltmarktanteil von 16,6 Prozent, aber wie schon erwähnt, prognostiziert die IPC, dass dieser Anteil in diesen acht Sektoren bis 2035 auf 15 Prozent sinken wird, wenn sich nichts ändert.
Es besteht ein Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Teilen, aus denen sich die europäische Elektronikindustrie zusammensetzt. Im Jahr 2023 wurden in der EU Leiterplatten im Wert von 1,37 Milliarden Euro hergestellt, während die geschätzte Nachfrage bei 7,87 Milliarden Euro lag. Das bedeutet, dass die Produktion nur 17,5 Prozent des Bedarfs deckte. Dem Bericht zufolge ist dieses Ungleichgewicht in Bereichen wie Mobilität und Server, HPC und Supercomputing besonders ausgeprägt.
Dem Bericht zufolge gibt es in der EU etwa 2.250 EMS-Mitarbeiter. Von diesen wurden 2.228 identifiziert und analysiert. Jede juristische Person wird separat gezählt, die 2.228 "Einheiten" gehören zu 1.822 Unternehmen.
Im Nahen Osten und Nordafrika (MENA) gibt es weitere 86 Einheiten in der in4ma-Datenbank, von denen 28 zu europäischen Unternehmen gehören. Diese Unternehmen sind in hohem Maße auf globale Lieferketten für wichtige elektronische Komponenten wie Halbleiter und Leiterplatten angewiesen. Unterbrechungen dieser Lieferketten können - wie man während der Pandemie gesehen hat - verheerende Auswirkungen haben.
Die Lage der europäischen EMS-Industrie 2024
Während der Evertiq Expo in Göteborg wird Dieter Weiss von in4ma zu Gast auf der Bühne sein, um ein Update über die Situation der europäischen EMS-Anbieter zu geben. „Niemand spricht mehr über die Chipkrise. Sind wir wieder auf dem Weg zur Normalität?" Laut Dieter Weiss ist die Antwort einfach: „Die EMS-Branche leidet immer noch unter den Spätfolgen dieser Krise", sagt er. Er argumentiert jedoch, dass diese Krise zwar künstlich herbeigeführt wurde, aber einen massiven Umbruch in der Branche zur Folge hatte - was er in seinem Vortrag ausführlich erläutern wird.
Noch heute leidet die EMS-Branche unter unzureichenden Aufträgen, übermäßigen Lagerbeständen und schlechten Aussichten. Manchmal müsse man jedoch auf unangenehme Erinnerungen zurückblicken, um ein klareres Bild davon zu bekommen, was getan werden kann, um zu verhindern, dass so etwas in Zukunft wieder passiert.
Der Ost-West-Unterschied der EMS-Unternehmen in Europa
Es gibt mehr als 1760 EMS-Unternehmen in Westeuropa, aber nur etwa 400 EMS-Unternehmen in Mittelosteuropa. Warum ist das so? Während der Evertiq Expo Warschau werden Dieter G. Weiss und Dr. Mareike Haass von in4ma die Struktur dieser Branche sowie ihre Vor- und Nachteile erläutern. Die Experten werden einen Blick auf vergangene Entwicklungen werfen und zukünftige Entwicklungen im Bereich EMS diskutieren. Wie kam es zu den Produktverschiebungen und was sind die Gründe für diese Entwicklungen?