Der Speichermarkt korrigiert nicht – er reorganisiert sich
Industrieanalyst Claus Aasholm über die Kräfteverschiebung, die das Gleichgewicht im DRAM-Markt dauerhaft verändert hat.
Autor: Andrew Czuczwa, Marktforschungsleiter bei Fusion Worldwide
Der Speichermarkt befindet sich nicht in einer Korrekturphase, sondern in einer Neuordnung. Laut Claus Aasholm, Gründer von Semiconductor Business Intelligence, hat sich das langjährige Gleichgewicht zwischen Angebot, Nachfrage und Preisbildung aufgelöst.
Für Einkaufsteams und Elektronikhersteller ist dies mehr als Marktanalyse – es ist ein Signal, dass jahrzehntelang gültige Beschaffungsannahmen nicht mehr greifen.
Aasholms Forschung ist bei Zulieferern, OEMs und Investoren hoch angesehen, weil sie sich auf beobachtbares Verhalten konzentriert: Auslastungsraten, Gewinnmargen, Zeitpunkte von Investitionen sowie Produktpriorisierungen. Seine Analysen dringen durch Marktrauschen und zeigen, wann sich die Anreizstrukturen der Hersteller so verändern, dass es sich nicht mehr um zyklische Schwankungen, sondern um dauerhafte Transformationen handelt.
In einem aktuellen Gespräch mit Andrew Czuczwa, Market Research Manager bei Fusion Worldwide, erläuterte Aasholm, warum die aktuellen Entwicklungen keine Korrektur, sondern eine Reorganisation darstellen. Czuczwa beobachtet frühe Beschaffungs- und Qualifizierungsprozesse in den Bereichen Industrie, Automotive, Consumer und Rechenzentren. Dadurch erkennt er in Echtzeit, wie Einkäufer auf neue Marktsignale reagieren.
Wenn sich Analysteneinschätzungen und Käuferverhalten decken, ist die Botschaft eindeutig: Dies ist kein Zyklus. Es ist ein neues Marktumfeld.
Und genau in diesem Moment befindet sich die Branche.
Das Nachfragemodell hat sich verändert
Über Jahrzehnte hinweg haben sich Speichermärkte selbst reguliert. Stiegen DRAM-Preise, verschoben Unternehmen Upgrades, OEMs führten Geräte später ein – und die Preise fielen. Die Nachfrageelastizität hielt Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht.
Dieses Prinzip gilt heute nicht mehr.
„Die Antwort ist immer KI. Ich weiß nicht, wie die Frage lautet, aber die Antwort ist immer KI. Das treibt aktuell alles.“
– Claus Aasholm, Founder, Semiconductor Business Intelligence
Der Ausbau von KI-Infrastruktur stoppt nicht, nur weil Komponenten teurer werden. Investitionen folgen Roadmaps, die an Wettbewerbsvorteile und Trainingszyklen gekoppelt sind. Das historische Regulativ – „wir warten, bis es günstiger wird“ – existiert nicht mehr.
Für die Elektronikindustrie verändert das alles:
Historische Preiskurven taugen nicht länger als Prognosewerkzeug. Darauf zu hoffen, dass Speicher „wieder günstiger wird“, ist heute Spekulation – keine Strategie.
Die Produktion wuchs nicht mit, als die Preise stiegen
In vergangenen Aufschwüngen erhöhten Speicherhersteller die Kapazitäten schnell, sobald Margen wieder attraktiv wurden. Diesmal nicht.
„Der letzte Abschwung war der tiefste, den Speicherunternehmen je erlebt haben. Sie hatten negative Bruttomargen. Es war brutal.“
– Claus Aasholm
Nach den Verlusten 2022–2023 entschieden sich Hersteller für Stabilität statt Expansion. Investitionen in neue Kapazitäten erfolgten vorsichtig – gesteuert durch Disziplin, nicht Nachfrage.
Die Einschränkungen sind strategisch. Speicherproduzenten haben die Krise mit einem neuen Spielplan verlassen:
Begrenztes Angebot ist Teil der Geschäftsstrategie und kein Problem, das gelöst werden soll.
Knappheit ist nun das Geschäftsmodell
Speicherhersteller haben Profitabilität neu definiert.
„Das ist jetzt ein Margenspiel, kein Mengenspiel. Sie mögen enge Märkte. Sie mögen es, Nein zu sagen.“
– Claus Aasholm
Knappheit sichert Margen und finanzielle Disziplin. Mit längeren Lieferzeiten und früher angekündigten Allokationen signalisieren die Hersteller Kontrolle statt Mangel. Solange Wettbewerbsdynamiken oder Nachfrageeinbrüche die Anreize nicht verändern, ist eine Rückkehr zu Überangeboten unwahrscheinlich.
Finanzdaten bestätigen den strukturellen Wandel
Aasholm sieht den klarsten Beweis in der Preisentwicklung im Verhältnis zum Liefervolumen.
„Microns Margin bei Nicht-KI-Produkten ist um rund 18 Prozent gestiegen, obwohl die Liefermengen flach blieben. Kunden zahlen also mehr für exakt dieselbe Menge. Das zeigt, dass es keine Preiselastizität mehr gibt.“
Ein weiteres Beispiel seien Quartalsergebnisse von Nanya Technology:
- Umsatz etwa +80 % gegenüber dem Vorquartal
- Liefermengen stagnieren
- Auslastung auf Volllast
Die Preise steigen, ohne dass mehr produziert wird – ein klares Anzeichen struktureller Verknappung. Nichtelastische Nachfrage trifft auf bewusst begrenztes Angebot.
HBM bindet Fertigungskapazitäten
High-Bandwidth Memory (HBM) ist der neue Gewinnmotor des Marktes. Mit der steigenden KI-Nachfrage verschlingen neue HBM-Generationen immer mehr Fertigungskapazitäten.
„HBM3, dann HBM3E in 8-Lagen, jetzt 12-Lagen und bald HBM4. Jede Generation benötigt mehr Kapazitäten, um dieselbe Bitmenge zu erzeugen. Und diese Kapazität kann nur von einem Ort kommen: DDR5 und DDR4.“
– Claus Aasholm
HBM verdrängt klassische DRAM-Produkte – zugunsten höherer Margen.
Über Fusion Worldwide
Fusion Worldwide ist einer der weltweit führenden Open-Market-Distributoren für elektronische Bauteile und Produkte. Das Unternehmen beschafft, inspiziert, testet und liefert ein breites Spektrum an Komponenten an OEMs, CMs und ODMs in verschiedenen Branchen. Fusion wurde 2001 gegründet, hat seinen Hauptsitz in Portsmouth, New Hampshire, und betreibt Büros sowie Qualitätszentren in wichtigen globalen Produktionsregionen.


