Die europäische Leiterplattenindustrie ist in Gefahr
Die Leiterplatte ist unverzichtbar und ein integraler Bestandteil fast aller elektronischen Produkte. Im Jahr 2023 wird der weltweite Leiterplattenmarkt auf 87 Milliarden US-Dollar geschätzt, wobei über 90 Prozent in Asien produziert werden.
Viele Jahre lang haben die asiatischen Leiterplattenhersteller die europäische Produktion überflügelt und ihr den Rang abgelaufen. Es wurde bereits festgestellt, dass die Hauptgründe dafür die preisliche Wettbewerbsfähigkeit und ein erheblicher Outsourcing-Orkan waren, der den gesamten Elektroniksektor erfasste. Seit den frühen 2000er Jahren und dem Dotcom-Crash ist die Leiterplattenproduktion kontinuierlich von Europa und Nordamerika nach Asien gewandert.
Im Jahr 2000 betrug der Anteil der inländischen Leiterplattenproduktion in Europa 16 Prozent der weltweiten Produktion - bis 2022 war dieser Anteil auf 2,3 Prozent gesunken. Gleichzeitig sank die Zahl der europäischen Leiterplattenhersteller von 555 auf etwa 180, wobei auf die 20 größten europäischen Hersteller 60 Prozent des gesamten Produktionswerts entfallen, wie das EIPC, das European Institute for the PCB Community, feststellt.
Aus diesem Grund hat Evertiq Alun Morgan, den Präsidenten des EIPC, als Hauptredner auf die Evertiq Expo am 20. Juni 2024 in Berlin eingeladen, um ein klareres Bild der Branche zu zeichnen und zu zeigen, wohin man sich derzeit bewegt.
Der Rückgang der europäischen PCB-Produktion hatte auch einen Dominoeffekt auf die Lieferkette für Basismaterialien - die Zahl der Hersteller von PCB-Basismaterialien in vollem Umfang sank von über 20 in den 1980er Jahren auf heute nur noch zwei. Die Lieferkette für die Herstellung von Basismaterialien wurde durch den Verlust verschiedener Sektoren, beispielsweise die Reduzierung der Produktionsstätten für Copper Foils auf einen einzigen verbliebenen Standort, beeinflusst. Die Lieferkette für die wichtigen Rohstoffe, die für die Leiterplattenproduktion benötigt werden, beginnt derzeit in Asien.
EIPC weist darauf hin, dass die europäische Leiterplattenindustrie im Vergleich zu ihren asiatischen und nordamerikanischen Konkurrenten durch hohe Energiekosten besonders benachteiligt ist. Die Leiterplattenhersteller sind besorgt über die Auswirkungen der anhaltend hohen Energiepreise und glauben, dass ohne international wettbewerbsfähige Energiekosten die Zahl der europäischen Leiterplattenhersteller weiter schrumpfen wird. Die europäische Leiterplattenherstellung beliefert mehrere Endmärkte, von denen der größte die Industrieelektronik mit einem Anteil von etwa 45 Prozent ist, gefolgt von der Automobilbranche mit einem Anteil von etwa 15 Prozent. Auch die medizinische Elektronik ist stark vertreten.
EIPC hebt auch hervor, dass Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigung zusammen etwa 12 Prozent der europäischen PCB-Produktion ausmachen, mit einem Wert von etwa 200 Millionen Euro pro Jahr. Darauf hingewiesen werden sollte auch, dass dies eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der strategisch wichtigen europäischen Luft- und Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie spielt, die einen Gesamtumsatz von 578 Milliarden Euro und eine Gesamtbeschäftigung von 3,57 Millionen, einschließlich direkter, indirekter und induzierter Arbeitsplätze, unterstützt.
Wie bereits erwähnt, gibt es Initiativen zur Unterstützung der europäischen Halbleiterindustrie, wie beispielsweise den European Chips Act und die UK National Semiconductor Strategy. Beide spielen eine wichtige Rolle bei der Wiederbelebung der einheimischen Produktion - allerdings müssen Chips mit anderen Komponenten über Leiterplatten verbunden werden, die meist außerhalb Europas hergestellt werden. Wenn Europa wirklich eine „technologische Souveränität“ als Ganzes anstrebt, sind Leiterplatten ein notwendiges und grundlegendes Element in diesem Zusammenhang und müssen unterstützt werden, heißt es in der Studie.
Die strategisch wichtige Beschaffung von Verteidigungsgütern innerhalb Europas könnte gefährdet sein, wenn die europäische PCB-Produktionsbasis weiter zurückgeht. Dies würde zu einer höheren Abhängigkeit von importierten Leiterplatten führen und die sehr reale Möglichkeit mit sich bringen, dass die heimische Produktion nicht in der Lage ist, die Nachfrage des Verteidigungs- und Luftfahrtsektors zu befriedigen. Das Risiko, dass die Beschaffungsabteilungen der Verteidigungsindustrie vertrauliche Designdaten und geistiges Eigentum an außereuropäische Unternehmen weitergeben müssen, ergibt sich aus der erzwungenen Abhängigkeit von außereuropäischen Beschaffungsquellen.
Noch einmal sei erwähnt, dass angesichts der aktuellen Entwicklung der europäischen Leiterplattenindustrie Evertiq Alun Morgan, den Präsidenten von EIPC, als Hauptredner zur Evertiq Expo am 20. Juni 2024 nach Berlin eingeladen hat, um über die schwierige Situation der Branche zu sprechen. In seiner Präsentation wird er einen Überblick über die Makroökonomie geben und aktuelle und zukünftige globale Risikofaktoren hervorheben, bevor er sich auf den europäischen Leiterplattenmarkt und Trends konzentriert. Die europäischen Einkaufsmanagerindizes werden ebenso erörtert wie Technologie- und Markttrends, bevor er mit einem globalen und europäischen Geschäftsausblick abschließen wird.