
IoT und Konnektivitätswahl: Nicht nur eine Frage der Kosten
Das Internet der Dinge (IoT) ist längst keine futuristische Vision mehr – es ist zu einem greifbaren, weit verbreiteten Bestandteil des Alltags geworden, von Smart Homes und modernen Städten bis hin zu industriellen und logistischen Anwendungen. Im Zentrum dieses Ökosystems stehen Kommunikationstechnologien, die den Datenaustausch zwischen Geräten ermöglichen. Dr. Łukasz Krzak von der AGH-Universität für Wissenschaft und Technologie in Krakau sprach mit Evertiq über die Trends und Herausforderungen bei der Auswahl dieser Technologien.
Kosten sind wichtig – aber nicht alles
„Ich glaube nicht, dass es kontrovers ist zu sagen, dass Entscheidungen oft mit dem Ziel der Kostenminimierung getroffen werden – wobei es stark vom jeweiligen Unternehmen abhängt, was das konkret bedeutet“, erklärt Dr. Krzak gegenüber Evertiq.
Bei groß angelegten Projekten wie städtischer Infrastruktur bedeutet Kostensenkung oft auch Risikominimierung. Daher entscheiden sich kommunale Verwaltungen häufig für Lösungen von Mobilfunknetzbetreibern – trotz höherer Implementierungs- und Wartungskosten. Bei knapperen Budgets kommen dagegen häufig günstigere und populäre Optionen wie LoRaWAN zum Einsatz.
„Technologien wie LoRaWAN werden sogar dort eingesetzt, wo andere Standards technisch besser geeignet wären“, merkt er an.
Im Verbraucherbereich, etwa in der Hausautomatisierung, spielt das Verhältnis von Leistung zu Kosten eine entscheidende Rolle. Technologien werden danach ausgewählt, wie gut sie den Anforderungen eines konkreten Anwendungsfalls entsprechen – beispielsweise werden Mesh-Netzwerke eingesetzt, wenn geringe Latenzzeiten und zuverlässige Leistung in komplexen Umgebungen erforderlich sind.
Ausgereifte Technologien, die sich weiterentwickeln
Low Power Wide Area Networks (LPWAN) und Mesh-Netzwerke sind heute sowohl in städtischen als auch industriellen Umgebungen weit verbreitet. Sind diese Technologien also voll ausgereift? Dr. Krzak ist überzeugt davon.
„Beide Netzwerktypen sind technisch gut entwickelt und es gibt eine große Erfahrung in ihrer Anwendung. Wir können hier definitiv von technologischer Reife sprechen.“
Dennoch gehe die Entwicklung weiter. „Das bedeutet aber nicht, dass keine neuen Funktionen, Features oder völlig neuen Lösungen mehr entstehen. Forschung und Entwicklung laufen weiter. Es handelt sich eher um einen evolutionären als einen revolutionären Prozess.“
5G und Satelliten ersetzen nicht alles
Das schnelle Wachstum von 5G und Satellitenkommunikation lässt vermuten, dass stromsparende Alternativen überflüssig werden – doch die Realität ist differenzierter.
„Man darf nicht vergessen, dass 5G – bei allen Vorteilen – nicht überall verfügbar ist und es wirtschaftlich nicht immer sinnvoll ist, diesen Zugang bereitzustellen“, sagt Dr. Krzak. „Es verursacht zudem relativ hohe Kosten, was es für viele Anwendungsfälle ungeeignet macht.“
Gleiches gilt für Satellitenkommunikation. „Die Geschichte der Konnektivität zeigt, wie schwierig es ist, einen Standard zu schaffen, der alle Anforderungen abdeckt. Deshalb ist die heutige Technologielandschaft so fragmentiert.“
Gerade diese Vielfalt an Anforderungen – vom Ablesen von Wasserzählern bis zur Verkehrssteuerung in Städten – sorgt dafür, dass auch künftig eine breite Palette technologischer Lösungen nebeneinander bestehen wird.
Skalierbarkeit – ein oft übersehener Faktor
Skalierbarkeit ist einer der am häufigsten übersehenen Aspekte bei der Planung von IoT-Systemen – also die Fähigkeit eines Systems, mit den Anforderungen zu wachsen und sich anzupassen.
„Diese Technologien sind oft sehr spezifisch auf ihre Anwendungen zugeschnitten und arbeiten mit begrenzten Spielräumen hinsichtlich Reichweite, Kosten und Energieverbrauch“, erklärt Dr. Krzak.
Ein häufiger Fehler sei es, Systeme nur unter Laborbedingungen zu testen. „Bei Funkkommunikation funktioniert fast alles auf dem Labortisch. Doch wenn ein System in realen Umgebungen, in größerem Maßstab und mit benachbarten Systemen betrieben wird, treten die Grenzen zutage.“
Deshalb sei es wichtig, schon bei der Planung zukünftige Szenarien mitzudenken – mehr Geräte, mehr Daten oder die Interaktion mit benachbarter Infrastruktur.
Integration ja – Vereinheitlichung nicht zwingend
Steuern wir auf eine Standardisierung und Vereinfachung der heutigen vielfältigen IoT-Technologien zu? In bestimmten Bereichen ja – allerdings vor allem auf der Anwendungsebene.
„Wir beobachten bereits eine Vereinheitlichung, aber sie erfolgt weiter oben im Stack“, sagt Dr. Krzak. „Viele Konnektivitätslösungen werden inzwischen auf Anwendungsebene integriert.“
Er verweist auf das Matter-Protokoll für Hausautomatisierung und MQTT als Cloud-Kommunikationsstandard. Immer mehr IoT-Plattformen unterstützen diese Standards, was den Aufbau interoperabler Systeme erleichtert.
Eine umfassende Vereinheitlichung auf Netzwerk- oder physikalischer Ebene sei hingegen unwahrscheinlich. „Ich persönlich glaube nicht, dass wir in absehbarer Zeit eine breite Standardisierung auf der Funkebene erleben werden.“
Fundierte Entscheidungen in einem komplexen Markt
Die Auswahl der richtigen Kommunikationstechnologie für ein IoT-System ist mehr als ein einfacher Kostenvergleich. Aspekte wie Skalierbarkeit, Sicherheit, regulatorische Anforderungen, technologische Reife und Leistungsfähigkeit müssen berücksichtigt werden.
„Der Markt wird fragmentiert bleiben. Systementwickler müssen lernen, sich in dieser vielschichtigen Landschaft zurechtzufinden und fundierte Entscheidungen zu treffen“, resümiert Dr. Krzak. „Einige Organisationen verstehen die Stärken und Schwächen jeder Technologie und treffen entsprechend bessere Entscheidungen. Andere lassen sich von Marketingversprechen blenden und erleben die Probleme erst beim Rollout.“
Dr. Łukasz Krzak wird auf der kommenden Evertiq Expo Kraków 2025 sprechen. In seinem Vortrag vergleicht er zwei zentrale drahtlose Technologien im IoT: LPWAN und Mesh-Netzwerke. Verpassen Sie nicht die Session „LPWAN- und MESH-Funknetze – ein Technologievergleich“ am 28. Mai auf der EXPO Kraków.