COGD sieht weiteren Anstieg der Obsoleszenzrisiken
Ein einziges winziges elektronisches Bauteil, das plötzlich von einem Tag auf den anderen nicht mehr verfügbar ist, kann enorme wirtschaftliche Schäden verursachen. Dies ist umso alarmierender, als die Liste der potenziellen Schwachstellen in den Lieferketten nicht erst seit der Corona-Pandemie immer länger wird.
Experten der COGD (Component Obsolescence Group Deutschland) schätzen, dass Rohstoffe, Materialien, Software, elektronische Bauteile und andere Ersatzteile, die kurzfristig auslaufen oder aus anderen Gründen nicht mehr auf dem freien Markt verfügbar sind, bereits heute zusätzliche Kosten für Industrieunternehmen verursachen. In Deutschland zum Beispiel werden die Mehrkosten auf mehrere Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.
Eine Entwicklung, die die Non-Profit-Organisation der Industrie mit großer Sorge verfolgt. Die COGD entwickelt seit Jahren gemeinsam mit ihren Mitgliedern Strategien und Maßnahmen, um die oft sehr teuren Auswirkungen der Obsoleszenz zu minimieren oder zumindest einzudämmen.
Eine ganze Reihe von Herstellern aus Branchen wie Automobil, Luft- und Raumfahrt, Militär, Bahn, Kraftwerks-, Medizin- und Automatisierungstechnik, die oft jahrzehntelang Ersatzteile für ihre Geräte und Anlagen benötigen, sahen sich bis zum Beginn der Corona-Pandemie eigentlich in einer guten Position, was die Versorgungssicherheit betrifft. Doch die vergangenen drei Jahre mit ihren vielen Störfaktoren, die parallel auf die globalen Lieferketten einwirken, haben nicht wenige dieser Unternehmen gelehrt, dass dies offenbar nicht der Fall ist.
„Manche Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit werden leider erst in Krisenzeiten sichtbar. Das ist nicht unbedingt tragisch, solange man aus ihnen lernt. Leider war die Summe der potenziellen Störfaktoren noch nie so hoch wie heute. Gerade in einem rohstoffarmen Land wie Deutschland, das derzeit in vielen Bereichen komplett von ausländischen Lieferanten abhängig ist, sollte es längst Standard sein, alle Lieferanten und Lieferketten kontinuierlich auf mögliche Ausfallrisiken zu überprüfen und entsprechende aktive und reaktive Vorsorgemaßnahmen zu treffen", sagt der neue COGD-Vorsitzende Axel Wagner.
Wagner behauptet sogar, dass in wenigen Jahren kaum ein Industrieunternehmen ohne strategisches Obsoleszenzmanagement auskommen wird. Obsoleszenz wird nicht nur durch das Auslaufen von elektronischen Bauteilen verursacht, sondern zunehmend auch durch den Mangel an Rohstoffen und Semi-Finished-Produkten.
Der stellvertretende COGD-Vorsitzende Joachim Tosberg nennt als nächste Herausforderungen bereits das Lieferkettengesetz und den digitalen Produktpass. Deren Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit müssten ebenfalls intensiv geprüft werden, so Tosberg. Ein weiterer Grund zur Sorge ist der zunehmende Mangel an qualifizierten Mitarbeitern.
„Angesichts dieser zunehmenden potenziellen Obsoleszenzrisiken gilt es, schneller und konsequenter als bisher präventiv zu handeln und zukunftsweisende Konzepte zu entwickeln, die auch langfristig die Verfügbarkeit der benötigten Ressourcen auf allen Unternehmensebenen sicherstellen", so Joachim Tosberg.
Evertiq hat ausführlich über das Thema Obsoleszenz berichtet und lädt im Rahmen der Evertiq Expo in Berlin am 29. Juni Experten auf diesem Gebiet zu Vorträgen ein.
Laut Ken Greenwood, Technical Sales Manager bei Rochester Electronics, beginnt die Behebung der Problematik mit Kommunikation und Transparenz. Je mehr jeder über die Lebenszyklen von Produkten weiß, desto fundierter können Entscheidungen getroffen und Notfallpläne entwickelt werden. Ziel sollte es sein, die Notwendigkeit einer Neuqualifizierung, Neuzertifizierung und/oder eines Redesigns zu vermeiden - man sollte sich also auf zukünftige Veralterung vorbereiten.
Rochester wird sein Fachwissen und seine Verfahren zur Minimierung der Auswirkungen der Obsoleszenz von Komponenten in Berlin vorstellen.